Rede von Bundesrätin Doris Leuthard, Basel, Botschafter- und Aussennetzkonferenz.

Die Digitalisierung verändert die Welt wie keine technische Revolution zuvor.

  • Schnell
  • Flächendeckend
  • Einschneidend

Gestern noch in der analogen Welt, heute schon digital in der neuen. Entscheidendes passiert –   und die Schweiz ist mittendrin.

  • Der Bundesrat hat deshalb schon früh Führung übernommen
  • Seine  erste Digitalstrategie datiert aus dem Jahr 1998
  • Zugunsten  einer zukunftsorientierten, modernen Schweiz passt er seine Leitlinien und  Prioritäten regelmässig an.
  • Demnächst berät er das nächste Update «Digitale Schweiz 2018».

La Stratégie « Suisse numérique 2018 » concrétise ce qui a été fait jusqu’à présent, tout en s’intéressant à de nouveaux sujets tels que

  • la fintech
  • l’agriculture intelligente (smart farming)
  • l’importance de la numérisation pour la politique régionale (mot-clé: Smart Cities) et
  • l’intelligence artificielle, un vaste thème impliquant différents  départements. Il s’agit de développer des idées et positions communes.

L’internet des objets (Internet of Things) connectera à l’avenir des milliards d’objets les uns aux autres, ce qui aura d’importantes répercussions sur la gouvernance.

Toute nouveauté doit être réglementée. Il ne s’agit pas de faire cavalier seul car nous avons besoin de normes et règlements internationaux pour utiliser et développer l’espace numérique. Tel est l’un des grands défis posés par la numérisation et la Suisse est concernée à plus d’un titre.

Wir stellen aktuell Verschiedenes fest:  

  • Das bestehende internationale Regime der traditionellen zwischenstaatlichen Organisationen wird durch neue – oft private – Akteure, Gremien und Prozesse herausgefordert und stösst an seine Grenzen.
  • Die Mitgliedsländer in der UNO und anderen Organisationen sind sich uneins über die Rollen und Verantwortlichkeiten der traditionellen und neuen Akteure.
  • Entscheidungen und notwendige Reformen werden blockiert und hinausgezögert.
  • Das Vertrauen in die bestehenden Regelwerke schwindet.

Die Blockaden müssen überwunden werden. Dazu braucht es Offenheit, ein Denken «out-of-the-box».

Die Schweiz will ihre Selbstbestimmung sichern, indem sie die internationalen Regeln mitgestaltet. Um ihre Werte und Interessen im globalisierten digitalen Raum wirksam zu vertreten, will sie die internationale Diskussion über die Zukunft des digitalen Raums und dessen Gouvernanz aktiv mitprägen. Es braucht

  • Eine Weiterentwicklung der globalen digitalen Gouvernanz auf Basis des Völkerrechts, der Rechtsstaatlichkeit, der Menschenrechte und demokratischer Partizipation
  • Einen Multistakeholder-Ansatz: Über die Landes- und Sektorgrenzen hinaus muss eine konstruktive Zusammenarbeit zwischen Staaten, Wirtschaft, Gesellschaft, Wissenschaft entstehen. Darauf sind gerade kleinere Staaten angewiesen, sie haben einen geringeren Spielraum, eigene Rahmenbedingungen festzulegen
  • Bei diesem Prozess gilt es, die Balance zu finden zwischen laisser faire und Regulierung: Wie bis anhin müssen Kreativität und Innovation den nötigen Raum zur Entfaltung erhalten. Die Schweiz als eines der innovativsten Länder der Welt hat daran grosses Interesse.

Und die Schweiz bietet sich als Treiberin einer solchen Veränderung an.

Schwerpunktthemen müssen sein:

  • Offenheit und Verfügbarkeit des Netzes
  • Stabilität und Sicherheit des Internets
  • der Zugang aller Menschen zu digitalen Infrastrukturen, Daten und Online-Diensten
  • eine Verwaltung der kritischen Internet-Ressourcen im allgemeinen Interesse

Die Schweiz hat über die letzten Monate die Lancierung eines High-Level-Panels zu Fragen der digitalen Kooperation mit vorangetrieben. Das vom UNO-Generalsekretär initiierte Panel soll bis im Frühjahr 2019 Empfehlungen für eine bessere Koordination der verschiedenen staatlichen und privaten Akteure im Bereich der digitalen Gouvernanz erarbeiten. Ich werde mich in diesem Panel dafür einsetzen, dass sinnvolle Spielregeln entwickelt werden.
Sie helfen uns auch bei der Erreichung der Ziele der Agenda 2030.

Smart möchten alle sein. Eine anerkannte Definition für «smart» gibt es nicht.

Die smarte, digitale Schweiz entsteht durch Strategien, Papiere und mit neuen Normen. Aber allem voran entsteht sie durch die Ideen in den Köpfen findiger Unternehmerinnen, kreativer Forscher und Akzeptanz in der Gesellschaft.

Dank neuen Ideen und Produkten wird sich die Schweiz nach und nach verändern. Sie tut es schon, sie ist längst smart unterwegs und wächst zur «smart nation» heran.

«Smart nation» – was nach PR-Anglizismus tönt, ist unglaublich viel. Es heisst:

Eine intelligente Mobilität – mit möglichst wenig fossiler Energie, umweltfreundlich, kundenfreundlich, einfach verfügbar. Beispiele sind
derzeit:

  • Der Bundesrat fördert Schnellladestationen für Elektrofahrzeuge
  • Verschiedene Unternehmen testen Mobilitäts-Apps
  • Es läuft ein Pilotversuch «SBB Green Class»: Für ein Generalabonnement der Bahn, ein Elektroauto und einen Parkplatz am Bahnhof wird ein Fixpreis verlangt
  • Für eine elektronische Vignette fehlt aktuell die Akzeptanz, Varianten sind aber in Diskussion (Freiwilligkeit)

Wichtig: Hunderte Parkplatz-Apps oder separate Kanäle der Unternehmen im öffentlichen Verkehr bringen begrenzten Nutzen, solange die Daten nicht geteilt werden.

Smart Living – macht in der Schweiz das Leben leichter

  • Die Schweiz gehört bezüglich Internetanschluss der Privaten und der Breitbandanschlüsse zur Spitzengruppe der europäischen Länder.
  • Auch in der Planung von 5G ist die Schweiz schon weit. Ende 2019 soll ausgerollt werden. Dabei wollen wir nicht wie andere nur auf die grossen Städte fokussieren, sondern wollen flächendeckend aufgestellt sein, mit grosser Reichweite für die Wirtschaft und ihr so einen Vorteil im Wettbewerb verschaffen.

Aktuell sind unsere Strahlenschutz-Grenzwerte deutlich strenger als in der EU, was die Einführung von 5G erschwert. Darum sollten wir das anpassen – ohne den Schutz von Mensch, Tier und Umwelt zu beeinträchtigen. Das ist möglich, selbst mit einer Anpassung wird das Schutzniveau immer noch höher sein als in der EU.

  • Seit April ist das Gesetz zum elektronischen Patientendossier EPD in Kraft. Die ersten Kantone haben es eingeführt
  • Pflegeheime müssen innerhalb von 5 Jahren das EPD einführen, für Ärzte, ambulante Praxen sowie Patienten ist es freiwillig. Das Potential hier wäre riesig, leider ist die Skepsis aber noch gross.
  • Der Bundesrat hat die Grundlage für eine E-ID geschaffen. Das Gesetz wird frühestens Ende 2020 in Kraft treten. Dies ermöglicht etwa eine Karte, mit der man von der Mobilität über den Einkauf bis zur Beratung viele Dienstleistungen erledigen kann.

Und es braucht ein «smart Government». (Ja, wir wissen, dass auch WIR da noch zulegen können, smarter werden können).

Gemeinsam mit Städten und Kantonen treiben wir E-Government voran – nicht jedes Amt muss für sich allein Applikationen für das Grundbuch, den Umzug, die Zollabfertigung oder die Steuererklärungen entwickeln. Hier wollen wir mit den Kantonen noch strukturierter und intensiver zusammenarbeiten. Der Bereich Sicherheit/Cyber nimmt an Bedeutung zu. Hier könnte man z.B. die Sicherheit erhöhen und die Kontrollen effizienter machen. Die Technologie dazu besteht: Die Handvenenerkennung, sie ist die bisher sicherste biometrische Identifikation.

Intelligente Energie ist ebenfalls essenziell für eine «smart nation»

  • Den Boden legt die Energiestrategie, sie setzt auf Energieffizienz und neue erneuerbare Energien
  • Das Bundesamt für Energie treibt die «Smart Grids» vorwärts. Mit intelligenten Netzen werden wir Produktion und Bedarf in der Stromwelt begegnen können.

Eine moderne, digitale Finanzbranche 

  • Der Bundesrat hat rasch gute Rahmenbedingungen für die Fintech-Branche geschaffen. Die Schweiz verfügt über enormes Wissen in Finanz-, Umwelt- und Nachhaltigkeitsfragen. Diese Kombination macht sie bedeutsam für innovative Finanztechnologie-Unternehmen, sie ist zu einem global führenden Zentrum geworden. (Studie IFZ HSLU)

Sie sehen: In einigen Bereichen haben wir Aufholbedarf. In andern haben wir die Nase vorn.

Die Schweiz gehört im europäischen Vergleich zu den digital fortgeschrittensten Ländern. Im „World Digital Competitiveness Yearbook“ der Lausanner IMD Business School hat sie kürzlich 3 Plätze gutgemacht und liegt nun auf dem 5. Platz der wettbewerbsfähigsten Länder der digitalen Welt.

Ein Etappenziel ist damit erreicht. Unsere Ambition ist aber, mehr zu erreichen. Wir wollen top sein mit unseren innovativen, agilen und wettbewerbsfähigen Unternehmen und unseren ETHs und Universitäten.

Smart nation heisst also: Ein Land, in dem Menschen befähigt sind, mit modernen Technologien ein gutes, sinnvolles Leben zu führen. Maximale Lebensqualität zu bei minimalem Ressourcenverbrauch.

Die Ideen, um dies zu ermöglichen, stecken schon in den Köpfen.

2015 reichten in der Schweiz Unternehmen der IKT-Branche 25.7 Patentanmeldungen pro Million Einwohnerinnen und Einwohner ein. Platz 10
unter den OECD-Staaten. Auf dem ersten Platz lag Schweden (125.1), gefolgt von Korea (107.8), Israel (87.8) und Japan (79.5)

Es braucht diese Ideen, es braucht Patente – aber das ist nicht alles. Die Menschen müssen diese Ideen dann auch «patent» ein- und umsetzen.

Bei den Smart Cities kommen all diese digitalen Veränderungen zusammen.

Die Initialzündung für intelligente Städte ist 2012 erfolgt, das BFE hat das Programm Smart City Schweiz ins Leben gerufen. Sämtliche Hochschulen und Universitäten beteiligen sich, ferner Behörden und Unternehmungen, einige Städte sind aktiv.

Wir erleben nun den Übergang in eine neue Phase: Die Städte stehen in Sachen «smarte Stadt» an unterschiedlichen Orten, haben unterschiedliche Ansätze und Stossrichtungen, unterschiedliche Regierungen. Jetzt gilt es, die vielen Aktivitäten und individuellen Projekte zu koordinieren, Synergien und gemeinsame Ansätze zu finden – auch in Bereichen, wo gelegentlich noch Gärtchenmentalität zu beobachten ist. Vernetzen im wahren Sinn des Wortes heisst die Devise, ob im Städtebau, im Verkehr, der Verwaltung, im Baurecht oder der Energie.

Bis, irgendwann, vielleicht, Strassenlampen, Abfallkübel und Verkehrsampeln mit uns sprechen und wir tatsächlich in nachhaltigen Städten leben.

Die Schweiz tut hier viel. Das illustriert der Smart Cities Index der EasyParkGroup. 5000 Städte wurden untersucht, die besten 100 schafften es auf den Index. Zürich auf Platz 4, Genf auf Platz 9.

Wir sind schon gut und werden noch besser. International wird dies bisher zu wenig wahrgenommen. Sie als Botschafterinnen und Botschafter dürfen ruhig die Botschaft der smarten Schweizer Städte in die Welt hinaustragen!

Die Schweiz ist ambitioniert. Ambitionen, kombiniert mit kontinuierlicher Forschung und Arbeit sowie einer liberalen Gesetzgebung können viel
ermöglichen, das zeigt sich bei den Drohnen.

Die Schweiz nimmt bei der Entwicklung von Drohnen sowie beim dazu nötigen regulatorischen Rahmen erfreulicherweise weltweit einen Spitzenplatz ein. Wir sind das «Home of drones».

Der Drohnen-Sektor wächst rasch, auch in der Schweiz. Startups schiessen aus dem Boden, es bieten hier bereits rund 80 Unternehmen 2’500 Arbeitsplätze.

Die Konkurrenz schläft aber nicht. Bei den Freizeitdrohnen sind die Chinesen schon führend. Das Potenzial der Schweiz liegt im Bereich der professionellen Anwendung. Drohnen sind heute schon vielseitig einsetzbar. Sie ….

  • helfen Feuerwehrleuten bei der Brandlokalisierung
  • sind hilfreich in der Präzisionslandwirtschaft, etwa bei schwer zugänglichen Rebbergen
  • liefern Pakete und medizinisches Material
  • und unterstützen im Bereich der Kartografie und Vermessung.

Das künftige Potenzial ist immens. Die Einsatzgebiete professioneller Drohnen wachsen fortlaufend. Aber auch die Risiken steigen.

Die Schweiz engagiert sich für die Erarbeitung einer angemessenen Reglementierung auf internationaler Ebene. Wie schon beim Thema Internet Gouvernanz ist sie auch hier prädestiniert dazu.

Genf übernimmt international zunehmend die Rolle eines Cyber-Hubs, wächst als Standort der Innovation, des technologischen Fortschritts, der Humanität und Demokratie zum Zentrum für Fragen der globalen Internet Gouvernanz heran.

Genf ist der ideale Ort, um die digitalen Aspekte der einzelnen Themen zu vernetzen,   Silos aufzubrechen und praktische Lösungen für komplexe Probleme zu finden.

Die Schweiz gehöre (gemeinsam mit Finnland, Schweden, Israel, Singapur, den Niederlanden und den US) zur Spitzengruppe, zu den «early and enthusiastic adopters», lobte der Global Information Technology Report 2016. Im internationalen Vergleich sind wir in zahlreichen Bereichen überdurchschnittlich (s. Folie).

  • Early? Einverstanden.
  • Enthusiastic? Bezogen auf die Bevölkerung stimme ich nicht uneingeschränkt zu.

Es herrscht gegenüber der Digitalisierung eine beträchtliche Skepsis. Nicht für alle ist Vernetzung ein Traum. Und ja: Nicht für alle wird sie zum Traum.

Eine schwierige, aber entscheidende Aufgabe für den Bundesrat wird es sein, Akzeptanz dafür zu schaffen. Wir müssen mit sorgfältiger,   zielgruppengerechter Information und im ständigen Dialog dafür sorgen, die Bevölkerung mitzunehmen und sie nicht vor uns herzutreiben. Ihnen erklären, wo ihr Mehrwert liegt: Bei den Kosten, bei der Zeitersparnis oder auch beim Sicherheitsgewinn. Und die Bildung noch gezielter auf die Chancen und Herausforderungen der Digitalisierung ausrichten.

Smarte Städte, intelligente Mobilität, energieeffiziente Bauten: Es gibt sie schon, die vielen smarten Beispiele. Noch in Segmenten. Aber: Die einzelnen Segmente wachsen nach und nach zu einem Ganzen zusammen.

National. Und weltweit. Eine «smart world» ist am Entstehen. Das zwingt auch uns, vieles anders und neu zu denken.

Der Bundesrat ist nicht naiv. Er ist sich des Gewichts der anstehenden Veränderungen bewusst. Der Sensibilität. In allen Bereichen spielen immer wieder heikle Fragen der Datenbewirtschaftung, des Schutzes und der Haftung hinein.

Einer der vielen Vorteile der direkten Demokratie: Sie fördert das Verantwortungsbewusstsein und stärkt die Widerstandsfähigkeit. Und wir können offen über Probleme und Ängste sprechen.

Smarte Städte brauchen smarte Menschen. Aufgeklärte und gut ausgebildete Bürgerinnen und Bürger. Wir werden deshalb kontinuierlich informieren, aus- und weiterbilden. Die digitalen Kompetenzen müssen weiter ausgebaut werden.

Und es braucht Forschungskapazitäten, um den Wissens- und Technologietransfer in die Wirtschaft und den sicheren Betrieb kritischer Infrastrukturen zu gewährleisten. Um bei der Entwicklung künstlicher Intelligenz mitzuwirken.

Die Universitäten und die Bildungsdirektoren der Kantone präsentieren diesen Herbst ihre neuen Strategien für eine digitale Wissenswelt.

Bildungsinstitutionen, Bund, Kantone, Wirtschaft: Sie bewegen sich alle immer smarter.

Übrigens: «Digital» leitet sich vom lateinischen Wort «digitus» ab, also von Finger.

Wir nehmen die Veränderungen als Fingerzeig: Grosses passiert. Fingerzeig heisst aber auch: Wir müssen aufpassen, nicht übertreiben.

Wir müssen in der Politik und der Gesellschaft für eine Smarte Schweiz jetzt auch schlaue, smarte, weitsichtige Entscheide fällen.

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