Die Optimierung der Energieeffizienz ist eine der grössten Herausforderungen der modernen Architektur. Um sie auch mit grossflächigen Glasfassaden meistern zu können, ist der Einsatz von hochfunktionalen Glasprodukten und die Integration nergierelevanter Funktionen ein probates Mittel.

Fassaden sind längst viel mehr als nur statische Hüllen, die als Schnittstelle zwischen innen und aussen die Gebäude vor Witterungseinflüssen schützen. Zu Recht werden sie oft mit der menschlichen Haut verglichen, die sowohl eine Schutzfunktion hat, sich aber auch dynamisch den äusseren Bedingungen anpasst und so den Körper auf «Idealtemperatur» hält. Moderne Glasfassaden müssen – bezogen auf das Gebäudeklima – genau diese Funktion erfüllen. Angesichts der erheblich gestiegenen Anforderungen an die Energieeffizienz von Gebäuden kommt der Gebäudehülle zudem eine massgebliche Rolle bei der Realisierung eines reduzierten Primärenergiebedarfs zu. Zu den grössten Energieverbrauchern in Bürogebäuden zählen Heizung, Klimatisierung und Beleuchtung. Diese Verbrauchsfaktoren lassen sich unmittelbar durch die Fassade beeinflussen. Es gilt die Wärmedämmung zu optimieren, Innenräume vor Überhitzung zu schützen, kontrolliert zu lüften, das Tageslicht bestmöglich zu nutzen und die zusätzliche Klimatisierung auf ein Minimum zu reduzieren.

Den stetig steigenden Anforderungen entsprechend, wurde die Fassadentechnik in den vergangenen Jahren konsequent weiterentwickelt. Ein Ziel dieses Entwicklungsprozesses ist die multifunktionale adaptive Fassade, die dynamisch auf wechselnde Umweltbedingungen reagiert. Hier bieten Glasfassaden viel Potenzial. Eine dezentrale Regelung von Lüftung, Heizung und Kühlung über die Gebäudehülle ermöglicht eine erhebliche Reduzierung der Haustechnik, und die Einbindung in die Gebäudeautomation kann sicherstellen, dass das Zusammenspiel der Einzelkomponenten optimal funktioniert und eine maximale Energieeffizienz erreicht wird.

Effiziente Kombination von Komponenten
Die Komponenten für die multifunktionale Fassade der Zukunft sind heute bereits vielfach im Markt vorhanden. Die Herausforderung für Architekten, Fassadenplaner und Fassadenhersteller liegt somit in der Regel in der Optimierung bestehender Systeme und der individuellen, bedarfsorientierten Integration und Kombination verfügbarer Technologien und Produkte. Die Zielvorgaben sind ambitioniert. In Europa beispielsweise sieht die Richtlinie über die «Gesamtenergieeffizienz von Gebäuden» (Energy Performance of Buildings Directive/ EPBD 2010) vor, dass ab 2020 alle in den EUStaaten erstellten Neubauten als «nearlyzero energy buildings» ausgeführt werden müssen. Dieses hoch gesteckte Ziel lässt sich nur mit leistungsstarken Fassaden erreichen, die sehr effizient dämmen, das Gebäudeklima intelligent steuern und überdies die Solarenergie nutzen.

Optimierte Systemtechnik
Zwingende Voraussetzung für die Herstellung von energieeffizienten Glasfassaden ist der Einsatz leistungsstarker und variabel anwendbarer Fassadensysteme. Ziel der Systemgeber ist darum die weitere Optimierung ihrer Profilsysteme hinsichtlich ihrer Dämmleistung und flexiblen Anwendbarkeit. Die Optimierung der Profilgeometrien und die Schaffung der Voraussetzungen für die Aufnahme von hoch dämmenden Dreifach-Isoliergläsern sind dabei wichtige Teilaspekte. Trotz erheblicher Fortschritte haben grossflächige Glasfassaden im Vergleich zu klassischen, gedämmten Lochfassaden hinsichtlich des Wärmedurchgangs zwar nach wie vor das Nachsehen, bieten dafür aber eine Fülle von Vorteilen gegenüber der massiven Bauweise. Dank ihres grossen Glasanteils ermöglichen sie nicht nur mehr visuellen Aussenkontakt, sie schaffen auch bessere Belichtungsmöglichkeiten und ideale Voraussetzungen für solare Zugewinne.

Wie weit die Systemtechnik hin zur multifunktionalen Glasfassade mittlerweile fortgeschritten ist, zeigt beispielhaft die E2 Fassade von Schüco. Sie ist ein energieeffizientes Gesamtsystem mit einer völlig neuartigen Verbindung von Fassaden- und Anlagentechnik, die zugleich Energie einspart und Energie gewinnt. Mit ihren vier Funktionsmodulen (dezentrale Lüftungstechnik, fassadenintegrierte Photovoltaik, fassadenintegrierter Sonnenschutz, Integration von Öffnungselementen) lassen sich individuelle Lösungspakete realisieren.

Leistungsstarke Funktionsgläser
Die durch den Einsatz von Sicherheitsgläsern weitreichenden konstruktiven Möglichkeiten und gestalterischen Vorteile (gebogene Gläser, Siebdruck, Digitaldruck, Emaillierung etc.) von Glas schaffen viel Gestaltungsspielraum bei der Realisierung von individuellen, leistungsfähigen Glasfassaden. Grosse Glasflächen ermöglichen allerdings auch einen starken Einfluss der äusseren Bedingungen auf das Gebäudeklima. Folglich ist die Funktionalität der eingesetzten Glasprodukte von erheblicher Bedeutung.

Mit leistungsstarken Wärmeschutzund Sonnenschutzgläsern können mittlerweile sehr gute Ergebnisse erzielt werden. So erreichen mit dem Edelgas Argon gefüllte Zweifach-Isoliergläser derzeit unter Einsatz von Warme-Kante-Abstandhaltersystemen einen Wärmedurchgangswert um die 1,0 W/m2K. Bei Dreifach-Isoliergläsern im Standardaufbau sinkt der Wert bis auf 0,6 W/m2K. Vergrössert man den Scheibenzwischenraum sind auch 0,5 W/m2K möglich. Noch niedrigere Wärmedurchgangskoeffizienten lassen sich bei den derzeit üblichen Glasaufbauten durch den Einsatz des sehr teuren Edelgases Krypton erzielen.

Ein anderer Weg, den Wärmedurchgangskennwert unter Einsatz von Argon weiter zu drücken, sind Vierfach-Isoliergläser. Aufgrund der Verwendung von gehärteten Dünngläsern sind diese Produkte nicht schwerer als herkömmliche Gläser mit Dreifach-Aufbau, schaffen aber einen U-Wert von 0,3 W/m2K. Eine für Fenster- und Fassadenbauer einfacher handhabbare Alternative zur Aufstockung der Glasebenen wäre das Vakuumglas (VIG). In Asien sind bereits entsprechende Gläser auf dem Markt. In Europa lassen entsprechende serienreife Produkte für den Einsatz in der Fassade trotz intensiver Forschungsarbeit allerdings noch immer auf sich warten.

Sonnenschutz und Lichtlenkung
Neben dem Wärmschutz ist die Sicherstellung eines zuverlässigen Sonnen- und Blendschutzes eine weitere Herausforderung bei grossflächigen Glasfassaden. Sonnenschutzverglasungen sind zwar leistungsfähig und einfach zu integrieren, schaffen es aber im Sommer oft allein nicht, die unerwünschte Aufheizung der Innenräume zuverlässig zu verhindern. Alternativ zu Verschattungssystemen, die aussen oder innen an der Fassade montiert werden, stehen unter anderem spezielle Sonnenschutzgläser zur Verfügung, die sich durch elektrische Spannung einfärben und so die Sonneneinstrahlung minimieren.

Eine hoch interessante Entwicklung wurde diesbezüglich im Herbst 2013 von der Universität Giessen präsentiert. Am dortigen Physikalischen Institut hat man unter der Leitung von Prof. Dr. Bruno Meyer eine energieeffiziente Glasbeschichtung entwickelt und zum Patent angemeldet, die eine temperaturabhängige Durchlässigkeit für Wärme ermöglicht. Mit dieser passiven (ohne Anlage einer elektrischen Spannung) und transparenten Glasbeschichtung kann die Aufheizung von Innenräumen durch die Sonne einfach gesteuert werden. Bei 20 Grad Celsius schaltet das Material selbstständig vom Halbleiter (durchlässig für Licht) auf Metall (reflektierend) um.1

Eine häufig eingesetzte Alternative stellen Isoliergläser mit integrierten Sonnenschutz- bzw. Lichtlenkungselementen dar. Diese glasintegrierten Systeme lassen sich, manuell oder elektrisch gesteuert, auf die individuellen Sonnenund Lichtverhältnisse abstimmen. Über variable Einstellwinkel der glasintegrierten Lamellen kann zudem das Tageslicht in das Rauminnere gelenkt werden. Das österreichische Unternehmen Eckelt Glas bietet beispielsweise mit seinem Produkt DLS Ecklite Evolution ein Isolierglas mit zwei unterschiedlichen glasintegrierten Lamellenbehängen an, im Oberlichtbereich mit konkavem Querschnitt für eine aktive Lichtlenkung und im Sichtbereich mit konvexem Querschnitt mit effizienter Sonnen- und Blendschutzwirkung. Bei entsprechenden Aussenlichtverhältnissen kann wahlweise der Sichtbereich bzw. der Sichtbereich und der Oberlichtbereich hochgezogen und damit eine freie Durchsicht erzielt werden. Neben diesen Jalousiesystemen stellen auch Gläser mit eingravierten Lamellenstrukturen, starr montierten Spiegellamellen oder integrierten Prismenstrukturen probate Lösungen dar, um das Tageslicht definiert zu lenken und Räume gleichmässig auszuleuchten.

Energie aus der Fassade
Da die verfügbare Sonnenenergie 3 000-mal höher ist als der weltweite Energiebedarf, empfiehlt es sich, sie zu umweltfreundlichen Energieerzeugung auch in der Fassade zu nutzen. Photovoltaik-Module lassen sich in nahezu jeden beliebigen Glasaufbau integrieren. Auch Mehrfach-Isoliergläser mit Wärme- und Schallschutzfunktion sowie Überkopf- und begehbare Verglasungen mit integrierter PV sind problemlos realisierbar. Entsprechend ausgelegt, kann eine PV-Fassade durch ihre Sonnenschutzfunktion auch eine zusätzliche Verschattungsanlage vollständig ersetzen. Zusätzlich lässt sich die Sonnenenergie durch fassadenintegrierbare Kollektorsysteme für Wärmegewinnung nutzen.

Wie innovativ die Glasbranche auch in diesem Marktsegment ist, mit welchenProduktlösungen sie zur weiteren Verbesserung der Energieeffizienz von Glasfassaden beitragen will und welche Zukunftsvisionen Architekten und Fassadenbauer haben, zeigt die glasstec 2014 in Düsseldorf. Vom 21. bis 24. Oktober bietet die international bedeutendste Fachmesse der Glasbranche auf Messeständen, in der Sonderschau «glass technology live» und im Fassaden-Center die neuesten Entwicklungen rund um die energieeffiziente Gebäudehülle. Ergänzt wird dieses Angebot durch die wissenschaftliche Konferenz «engineered transparency» mit dem Schwerpunkt «Konstruktiver Glasbau» (21. – 22.10.2014) und einen internationalen Architekturkongress mit dem Motto «Glas 5.0 – Design, Funktion, Emotion» am 22. Oktober 2014.

Gebäudehülle als Multi-Player
Grossflächige Glasfassaden haben dank der ständigen Weiterentwicklung von Konstruktionen, Technologien und Produkten auch in Zukunft noch viel Entwicklungspotenzial. Unabhängig von temporären Trends beim Fassadendesign werden künftig die energetische Effizienz und die Optimierung des Raumklimas die beherrschenden Themen in der Architektur und im Fassadenbau sein. Hinzu kommt der Aspekt der Nachhaltigkeit der eingesetzten Materialien und Produkte.

Entscheidend auf dem Weg zu energieoptimierten Glasfassaden und Gebäuden ist die Forcierung der interdisziplinären Zusammenarbeit. Ziel von Architekten, Ingenieuren, Bauherrschaften und Fassadenspezialisten muss und wird es sein, den politischen Vorgaben zur Optimierung des Energieverbrauchs zu entsprechen, ohne dabei Architektur, Qualität, Ökologie und Ökonomie ausser Acht zu lassen. «Die Gebäudehülle wird zu einem «Multi-Player», der gleichzeitig Licht-, Luft- und Energieflüsse zu koordinieren und kontrollieren weiss», fasst Rudolf Locher, Geschäftsführer der Schweizerischen Zentralstelle für Fenster und Fassaden (SZFF) die künftigen Herausforderungen im Fassadenbau zusammen.2

Literaturnachweis
1 Gesellschaft für Technologietransfer mbH, Holger
Mauelshagen, www.transmit.de
2 TEC21, Ausgabe 28-29, 2009, S. 16-20

Weitere Informationen
Sebastian Pflügge
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