Die Stadt will digitale Technologien nutzen, um besser und effizienter mit ihren Bewohnern zu kommunizieren. Um eine echte «Smart City» zu werden, müsse Zürich aber noch viel weiter gehen, fordert ein Experte.

Wer von der Stadt Zürich Tipps zum Energiesparen sucht, wird online an vielen Orten fündig – wenn er sich Zeit nimmt. Zum Beispiel kann er sich beim Gesundheits- und Umweltdepartement (GUD) für ein Energie-Coaching anmelden. Energiespartipps gibt aber auch das EWZ, das zum Departement der Industriellen Betriebe gehört, aber seine eigene Seite führt. Die GUD-Unterseite verweist zwar auf das EWZ. Dahinter verbirgt sich aber ein Error 404 – ein toter Link.

Solches Flickwerk soll bald der Vergangenheit angehören. Seit Anfang Jahr werkelt die Stadt Zürich an ihrem digitalen Schalter namens «Mein Konto», über den die Zürcherinnen und Zürcher an einem Ort künftig (fast) alle Informationen der Stadt erhalten und ihre Behördenkontakte abwickeln können. Diese E-Government-Plattform ist aber nicht genug: Bis Ende 2018 entwirft Zürich eine Smart-City-Strategie, die deutlich weiter gehen soll. Details sind noch nicht viele bekannt, auf der Website sind vor allem die vier Grundsätze aufgeführt, an welchen sich die Stadt orientieren will. Sie sind stark an die Tallinn-Deklaration von 2017 angelehnt, in der sich die europäischen Länder zu den wichtigsten Prinzipien fürs Regieren mit digitalen Mitteln bekennen (siehe Zusatz).

Alte Departemente, neue Möglichkeiten
Für Maximilian Stern vom politischen Think-Tank Staatslabor ist «Mein Konto» ein guter und gut gemachter Anfang: «Die Nutzer interessiert es nicht, ob der Service jetzt vom Departement X oder Y kommt. Sie wollen sich schnell anmelden und ihr Anliegen rasch erledigt haben.» Doch um eine eigentliche Smart City zu werden, müsse die Stadt weitergehen. «‹Mein Konto› ist erst der Schalter – jetzt muss im Hintergrund auch die Organisation entsprechend angepasst werden.» Der Politologe beschäftigt sich schon länger mit der Frage, wie der Staat neue Technologien sinnvoll nutzen kann, und hat letzthin mit dem Campaigner Daniel Graf ein Buch zur «digitalen Demokratie» herausgebracht. Stern sitzt auch im Sounding Board, das Zürich Feedback zu seiner Smart-City-Strategie geben soll.

Die neuen Technologien, sagt Stern, würden sich fundamental auf die Arbeitsweise des Staats selbst auswirken: «Es ist nicht klar, dass die heutige Departementsstruktur auch für die digitale Leistungserbringung am Bürger die richtige Aufteilung ist.» Zentral sei, dass sich die Verwaltung am Kundennutzen orientiere, auch bei der Frage, wie sie sich selbst strukturiere. Schon um den digitalen «one stop shop» aufzubauen, müssten die Mitarbeiter über die Departementsgrenzen hinweg gut zusammenarbeiten.

«Natürlich liessen sich bis 2019 an allen Tramhaltestellen Steckdosen und kostenloses Wi-Fi installieren – aber brauchen die Leute das wirklich?» – Maximilian Stern

Das könnte später noch viel weiter gehen. Grossfirmen experimentieren schon länger mit sogenannten Intrapreneurs, quasi Startups im eigenen Unternehmen, die ohne die üblichen Hierarchien und organisatorischen Silos an innovativen Lösungen arbeiten. Von diesen Keimzellen aus soll nach und nach die ganze Organisation flexibler und stärker kundenorientiert aufgestellt werden. Auf Ebene des Kantons funktioniert die Kompetenzstelle Open Government Data bereits nach solchen Prinzipien.

Die neuen Technologien ermöglichen es dem Staat auch, neue und veränderte Angebote schnell und günstig zu testen. Stern wünscht sich von den Verwaltungen daher auch mehr Experimente auf kleiner Flamme, die den Verantwortlichen rasch aufzeigen, nach welchen Dienstleistungen wirklich eine Nachfrage besteht. «Es braucht nicht das eine Grossprojekt Smart City.» Stern weis auch warnend darauf hin, dass sich die Stadt auf öffentlichkeitswirksame, aber oberflächliche Veränderungen konzentriert, nur um schnelle Erfolge vorzuweisen. «Natürlich liessen sich bis 2019 an allen Tramhaltestellen Steckdosen und kostenloses Wi-Fi installieren – aber brauchen die Leute das wirklich?»

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