Wird die Einführung der neuen Norm den PUE-Faktor zu einer tatsächlich nützlichen Kennzahl für die Energieeffizienz von Rechenzentren machen, oder hat der Missbrauch des Faktors zum Stützen von Marketingversprechen seinen Ruf irreparabel beschädigt? Janne Paananen, Technology Manager in Eatons Large Systems Group, liefert fachkundige Einblicke in diese wichtige Fragestellung.

PUE (Power Usage Effectiveness) wurde 2006 vom Green-Grid-­Konsortium entwickelt und ein­geführt. Damit sollte eine nützliche und leicht verständliche Kennzahl für die Energieeffizienz von Rechenzentren geschaffen werden – mit der Absicht, zur Steigerung der Energieeffizienz beizutragen, indem eine schnelle und einfache Quantifi­zierung solcher Effizienzsteigerungen ­ermöglicht wurde. Tatsächlich hat der PUE-Faktor dieses Ziel durchaus erreicht: Seit seiner Einführung hat sich die all­gemeine Energieeffizienz neuer Rechen­zentren signifikant erhöht.

Der PUE-Faktor bildet im Wesentlichen schlicht das Verhältnis der von einem ­Rechenzentrum insgesamt verbrauchten Energie zum Energieverbrauch seiner IT-Funktionen ab. Diese Einfachheit hat ihn so populär gemacht. Allerdings ist die Lösung nicht perfekt; die Schwächen der Kennzahl wurden nur allzu oft zum Untermauern übertrieben optimistischer Marketingversprechen ausgenutzt. Dies hat das Vertrauen in den PUE-Faktor untergraben, sodass diese Kennzahl bei vielen IT-Profis mittlerweile als diskreditiert und unzuverlässig gilt. Das ist zu bedauern, da sie bei ordnungsgemässer Anwendung ohne Zweifel ein äusserst nützliches Hilfsmittel darstellt.

Der Missbrauch der Kennzahl wurde möglich, weil die Verfahren zu ihrer Messung und Berechnung bis heute nicht definiert wurden. So konnten Unternehmen den PUE-Faktor unter optimalen Bedingungen bestimmen (oft als «Design-PUE-Faktor» bezeichnet), anstatt unter realistischen Bedingungen beim nor­malen Betrieb des jeweiligen Rechen­zentrums.

Glücklicherweise steht die Einführung einer neuen Norm bevor: IEC 30134-2 wurde eigens dafür entwickelt, dem PUE-Faktor mehr Glaubwürdigkeit zu verleihen. Dazu wird darin genau festgelegt, wie er zu ­messen ist und welche Daten den Mes­sungen beigefügt werden müssen.

Die neue Norm unterstreicht insbesondere, dass ein als «PUE» bezeichneter Wert auf Messungen beruhen muss, die über den Zeitraum eines ganzen Jahres vorgenommen wurden. Auf diese Weise werden saisonale Effekte ausgeschlossen. PUE-Bestimmungen sind auch über einen kürzeren Zeitraum zulässig, allerdings müssen die Ergebnisse in diesem Fall als «iPUE» (Interim-PUE)-Werte ausgewiesen werden. Diese Werte dienen hauptsächlich dazu, die Energieeffizienz eines neuen Rechenzentrums mit dem Auslegungswert zu ­vergleichen, ohne ein ganzes Jahr warten zu müssen. Ausserdem sollen sie einen ­relativ schnellen Hinweis darauf liefern, wie wirksam die Massnahmen zur Steigerung der Energieeffizienz eines gegebenen ­Rechenzentrums sind.

Durch die Festlegung von drei PUE-­Kategorien sorgt IEC 30134-2 zudem für eine wichtige Verfeinerung. Kategorie 1 (PUE1) liefert einen grundlegenden Auflösungsgrad für Energieleistungsdaten, Kategorie 2 (PUE2) einen mittleren Grad und Kategorie 3 (PUE3) einen hohen Auflösungsgrad. In allen Kategorien wird die eingehende Energie am Wartungszugang des Energieversorgers gemessen, von dem aus die elektrischen und mecha­nischen Geräte im Rechenzentrum versorgt werden. Die IT-Last wird jedoch je nach Kategorie an verschiedenen Stellen gemessen.

Die wichtigste Konsequenz des Katego­riensystems besteht darin, dass die höheren Kategorien stufenweise präzisere Messungen des Energieverbrauchs liefern, da diese Messungen näher an den jeweiligen Verbrauchern erfolgen.

Ausrüster und Betreiber von Rechenzen­tren sind in der Wahl der jeweiligen PUE-Kategorie nicht ganz frei. Je geringer der gemeldete PUE-Wert ist, desto höher muss die PUE-Kategorie sein: Die Rechenzen­tren, die auf optimale Effizienz der Infrastruktur und geringsten PUE-Faktor ausgelegt sind, benötigen als Beleg der Aussagen auch präzisere Messungen.

Die Norm verlangt ausserdem, dass öffentlich gemeldete PUE-Werte von Daten flankiert werden, die unter anderem über die Kategorie, das Abschlussdatum und den Präzisionsgrad der Messungen sowie die Grösse der Anlage Auskunft geben und genaue Angaben zu den externen Umgebungsbedingungen (z. B. Niedrigst-, Höchst- und Durchschnittstemperaturen) enthalten. Neben den Definitionen zum Berechnen von PUE-Werten liefert die Norm zudem Leitlinien zum Verwenden dieser Werte. Insbesondere warnt sie vor direkten numerischen Vergleichen zwischen Rechenzentren.

Es ist davon auszugehen, dass die Implementierung von IEC 30134-2 einen Beitrag dazu leisten kann, den Ruf des ­PUE-Faktors als zuverlässige Kennzahl wiederherzustellen. Dies ist jedoch nur  dann wirksam möglich, wenn IT-Profis die dem PUE-Konzept innewohnenden Einschränkungen berücksichtigen.

So ist es beispielsweise nicht immer sinnvoll, den kleinstmöglichen PUE-Faktor anzustreben, da dies zu einer Überop­timierung eines bestimmten Aspekts im Betrieb des Rechenzentrums führen kann, wobei das Gesamtbild ausser Acht gelassen wird. Tatsächlich tritt diese ­Situation überraschend häufig auf. Oft entsteht sie aufgrund einer Vernachlässigung des Gesamtbilds sowie einer schlechten Kommunikation zwischen den Teams, die für die verschiedenen Projektteile verantwortlich sind.

Es darf dabei auch nicht vergessen werden, dass der PUE-Faktor, so nützlich er auch ist, keineswegs eine unfehlbare Kennzahl darstellt, selbst wenn die Messungen und Berechnungen ordnungs­gemäss durchgeführt werden. Einige Massnahmen, die insgesamt zu einer ­Steigerung der Energieeffizienz führen, können sogar einen schlechteren PUE-Faktor nach sich ziehen. Dazu zwei Beispiele:

Das IT-Team eines Rechenzentrums legt Server zusammen und optimiert die Leistung des IT-Systems, was zu enormen Einsparungen beim Energieverbrauch führt – jedoch gleichzeitig den PUE-Wert, eine der wichtigsten Kennzahlen überhaupt, in die Höhe treibt.

In einem Rechenzentrum wurde eine Wärmepumpe installiert, um die überschüssige Wärme aus den Serverräumen zum Beheizen von umliegenden Wohnungen zu nutzen. Gemäss allen vernünftigen Massstäben hatte sich die Energieeffizienz des Betriebs insgesamt erheblich ver­bessert, weil die Abwärme nicht mehr verschwendet wurde. Allerdings wurde der PUE-Faktor nach ­Installation der Wärmepumpen aufgrund der zusätzlich benötigten Energie zur Versorgung der Pumpen deutlich schlechter.

Diese beiden einfachen Beispiele verdeutlichen, dass ein Rechenzentrum und dessen Energieeffizienz als Gesamt­system zu betrachten sind. Nur so lassen sich die Auswirkungen von Massnahmen auf seine Auslegung vollständig über­blicken. Das Ziel sollte in der Steigerung der Energieeffizienz insgesamt bestehen sowie darin, sie unter verschiedenen Lastbedingungen aufrechtzuerhalten – nicht nur unter optimalen Auslegungs­bedingungen.

Kann noch mehr getan werden, um den Nutzen und die Zuverlässigkeit des PUE-Faktors zu erhöhen? Diese Frage ist zweifellos zu bejahen. Allerdings ist irgendwann ein Punkt erreicht, an dem die Kosten und die Mühen durch zunehmende Komplexität dem Ziel einer einfachen sowie leicht messbaren und verständlichen Kennzahl entgegenstehen.

So gab es zum Beispiel den Vorschlag, dass eine verpflichtende Regulierung, ggf. unter Einbeziehung von unabhängigen ­Audits, den PUE-Faktor zu einer zuverlässigeren Kennzahl machen könnte. Dies ist im Prinzip vernünftig, allerdings wirft der Vorschlag die Frage auf, wer solche Audits anstossen und durchführen sollte und wer die Kosten tragen würde.

Der PUE-Faktor wird immer eine verführerische Messgrösse sein, da die Suche nach einer Möglichkeit zur Vereinfachung komplexer Probleme, wie der Auswertung der Energieleistung von Datenzentren, in der menschlichen Natur liegt. Daher ist es eine gute Nachricht für die IT-Welt, dass IEC 30134-2 sehr wahrscheinlich einen Beitrag dazu leisten wird, den Ruf des PUE-Faktors als zuverlässige Kennzahl wiederherzustellen. Dennoch dürfen die in diesem Artikel erörterten Einschränkungen dieser äusserst wichtigen Kennzahl nicht ausser Acht gelassen werden. Gerade, wenn es um eine wirklich verlässliche Messung der Energieeffizienz von Datenzentren geht, ist ein Blick auf das Gesamtbild unerlässlich. Eine einzelne Kennzahl reicht hierzu nicht aus – wie verlockend dies auch sein mag.

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